Barrierefreie Websites nach BFSG:
Ein Leitfaden für Unternehmen
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umsetzen und mehr Kunden gewinnen
Eine barrierefreie Website ist wie eine gut ausgebaute Straße – sie ermöglicht allen Menschen, sicher und komfortabel ans Ziel zu kommen. Während holprige Feldwege nur für wenige passierbar sind, profitieren von einer modernen Infrastruktur ausnahmslos alle Verkehrsteilnehmer.
Genauso verhält es sich mit barrierefreien Websites: Sie erschließen nicht nur neue Kundengruppen, sondern verbessern die Nutzererfahrung für jeden Besucher.
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) kommen ab Juni 2025 neue Anforderungen auf Unternehmen zu. Dieser Leitfaden erklärt Ihnen praxisnah und ohne technischen Fachjargon, was barrierefreie Websites ausmacht, welche konkreten Vorteile sie Ihrem Unternehmen bringen und wie Sie die gesetzlichen Vorgaben Schritt für Schritt umsetzen können.
Sie erfahren, wie Barrierefreiheit Ihr Google-Ranking verbessert und die Conversion-Rate steigert.
(Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist keine Rechtsberatung und dient zur Orientierung für Unternehmen, die bei der Umsetzung einer barrierefreien Website Hilfe suchen. Wir haben die wichtigsten Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen für Sie zusammengetragen. Ebenso finden Sie zahlreiche Tipps aus der Praxis, die wir als Website-Agentur mit fast 30 Jahren Erfahrung gesammelt haben, vor allem in Hinsicht auf Technik und Zugänglichkeit von Internetseiten. Generell begrüßen wir die Einführung des BFSG sehr – endlich, endlich, endlich werden auch Menschen mit Handicaps berücksichtigt, um gleichwertigen Zugang zu Online-Angeboten zu bekommen!).
Aktualisiert am: 28.03.2025
Barrierefreie Websites – Auf einen Blick
- Barrierefreie Websites ermöglichen allen Menschen – mit und ohne Einschränkungen – den uneingeschränkten Zugang zu digitalen Inhalten durch technische und gestalterische Maßnahmen.
- Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verpflichtet Unternehmen ab Juni 2025 zur Bereitstellung barrierefreier Websites.
- Geschäftliche Vorteile sind eine größere Zielgruppe, besseres Google-Ranking, höhere Conversion-Rates und rechtliche Compliance.
- Eine barrierefreie Website erreicht mehr potenzielle Kunden.
- Die Umsetzung basiert auf den WCAG 2.2 Richtlinien und umfasst technische, inhaltliche und gestalterische Aspekte. Der Aufwand variiert je nach Ausgangslage zwischen 40 und 120 Arbeitsstunden.
- Wichtigste Maßnahmen sind barrierefreie Navigation, Alternativtexte für Bilder, ausreichende Kontraste, Tastatursteuerung und verständliche Texte ohne Fachsprache.

Uwe Preuth
Founder, CSO
Experte für Digitale Strategien:
Mehr Kunden + Mitarbeiter.
Gut geölte Prozesse und „Umsetzen“
sind meine Steckenpferde.
Was sind barrierefreie Websites?
Barrierefreie Websites ermöglichen allen Menschen – mit und ohne Einschränkungen – den uneingeschränkten Zugang zu digitalen Inhalten durch technische und gestalterische Maßnahmen.
Sie basieren auf dem Prinzip des „Universal Design“ – der Gestaltung von Produkten, die von möglichst vielen Menschen ohne spezielle Anpassung genutzt werden können.
Konkret bedeutet dies die Umsetzung verschiedener technischer und gestalterischer Maßnahmen:
- Eine klare, logische Navigation und Seitenstruktur
- Ausreichend große, gut lesbare Schriften und starke Kontraste
- Alternative Textbeschreibungen für alle Bilder und Grafiken
- Untertitel und Transkriptionen für Audio- und Videoinhalte
- Vollständige Bedienbarkeit über Tastatur und Sprachsteuerung
- Verzicht auf zeitgesteuerte Elemente oder blinkende Animationen
- Verständliche Sprache ohne komplexe Fachbegriffe
- Fehlertolerante Formulare mit eindeutigen Beschriftungen
- Kompatibilität mit Screenreadern und anderen Hilfsmitteln
Diese Maßnahmen orientieren sich an den internationalen WCAG-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines) und ermöglichen verschiedenen Nutzergruppen den barrierefreien Zugang zu digitalen Inhalten. Dabei profitieren nicht nur Menschen mit dauerhaften Einschränkungen von diesen Anpassungen, sondern auch Nutzer mit temporären Beeinträchtigungen oder technischen Limitierungen.
Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.2 des W3C (Screenshot)
Kapitel 1: Was bedeutet digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Websites und Online-Angebote von allen Menschen uneingeschränkt genutzt werden können – unabhängig von ihren körperlichen oder technischen Möglichkeiten. Dies umfasst Menschen mit Sehbehinderungen, eingeschränktem Hörvermögen, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen. Aber auch ältere Menschen oder Nutzer mit temporären Einschränkungen, wie einem gebrochenen Arm, profitieren von barrierefreien Websites.
Eine barrierefreie Website zeichnet sich durch klare Strukturen, gute Kontraste, alternative Texte für Bilder und Videos sowie eine vollständige Bedienbarkeit per Tastatur aus. Texte sind verständlich geschrieben und wichtige Informationen werden mehrfach – zum Beispiel visuell und auditiv – zur Verfügung gestellt.
Aktuelle Situation und Relevanz für Unternehmen
Die Bedeutung barrierefreier Websites nimmt stetig zu. In Deutschland leben etwa 7,8 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung – das entspricht fast 10% der Bevölkerung. Rechnet man Menschen mit temporären Einschränkungen und die alternde Gesellschaft hinzu, wird deutlich: Barrierefreiheit ist keine Nische, sondern betrifft einen erheblichen Teil der Bevölkerung.
Trotzdem sind aktuell nur etwa 15% der deutschen Unternehmenswebsites barrierefrei gestaltet. Dies bedeutet nicht nur einen Wettbewerbsnachteil, sondern auch verpasste Geschäftschancen. Denn Menschen mit Behinderungen verfügen über eine bedeutende Kaufkraft – allein in Deutschland über 500 Milliarden Euro jährlich.
Barrierefrei Websites – Optimiert auch für Screenreader mit Brailleschrift
Kurzer Überblick über das BFSG
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) markiert einen Wendepunkt für die digitale Barrierefreiheit in Deutschland. Ab Juni 2025 müssen Unternehmen ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten. Dies betrifft:
- Online-Shops und E-Commerce-Plattformen
- Selbstbedienungsterminals und Bankautomaten
- Elektronische Tickets und Check-In-Systeme
Das Gesetz orientiert sich an den international anerkannten WCAG-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines) und sieht bei Nichteinhaltung empfindliche Bußgelder vor. Für Unternehmen bedeutet dies: Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen, um die eigenen digitalen Angebote rechtzeitig anzupassen.
Für Websites steht (Stand Januar 2o25) noch nicht genau fest, welche Websites das nach BFSG umsetzen MÜSSEN. Da Sie aber als Unternehmen mit barrierefreien Websites deutlich mehr Besucher erreichen und auch Google die bessere Zugänglichkeit als wichtigen Ranking-Faktor einstuft, ist die Umsetzung für ALLE Unternehmen sehr wichtig.
Investitionen in Barrierefreiheit zahlen sich also mehrfach aus – durch erweiterte Zielgruppen, bessere Nutzererfahrung für alle Besucher und nicht zuletzt durch ein verbessertes Google-Ranking, da Suchmaschinen barrierefreie Websites bevorzugt behandeln.
2. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Zeitplan und Inkrafttreten
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle neuen Websites und digitalen Angebote die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen.
Wir empfehlen allen Unternehmen, frühzeitig mit der Umsetzung zu beginnen, da die technischen Anpassungen und inhaltlichen Überarbeitungen erfahrungsgemäß mehrere Monate in Anspruch nehmen. Ebenfalls sind Agenturen, die das umsetzen können, rar gesät und jetzt schon für 2025 so gut wie ausgebucht (wir zum Beispiel).
Wichtigste Anforderungen für Unternehmen
Das BFSG fordert von Unternehmen bezüglich ihrer Websites:
- Eine barrierefreie Gestaltung aller Webseiten und Online-Dienste
- Bereitstellung von Informationen zur Barrierefreiheit der Website
- Einrichtung eines Kontaktformulars für Feedback zur Barrierefreiheit
- Regelmäßige Überprüfung und Verbesserung der Barrierefreiheit
- Dokumentation der umgesetzten Maßnahmen
- Schulung der Website-Verantwortlichen in Barrierefreiheit
Für wen gilt das Gesetz?
Das BFSG gilt für:
- Alle Unternehmen mit digitalen Angeboten wie Websites und Online-Shops
- Dienstleister, die ihre Services online anbieten
- Unternehmen jeder Größe, vom Kleinunternehmen bis zum Konzern
Ausnahmen gelten für:
- Private sowie rein geschäftliche (B2B) Angebote unterliegen nicht dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
- Mikrounternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro
- Websites, bei denen die Barrierefreiheit nachweislich eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde
Welche digitalen Angebote sind betroffen?
Das Gesetz umfasst folgende digitale Präsenzen:
- Unternehmenswebsites und Landing Pages
- Online-Shops und E-Commerce-Plattformen
- Mobile Websites und Web-Apps
- Online-Formulare und Kontaktmöglichkeiten
- Digitale Dokumente wie PDFs
- Newsletter und E-Mail-Marketing
- Online-Buchungssysteme
- Digitale Kundenservices
- Chat-Funktionen und Support-Bereiche
Die Nichteinhaltung der Anforderungen kann zu Bußgeldern führen. Diese können je nach Schwere des Verstoßes und Unternehmensgröße mehrere tausend Euro betragen. Zusätzlich drohen Abmahnungen durch Konkurrenten oder Verbände.
Wir empfehlen den Rat eines spezialisierten Rechtsbeistands einzuholen. Gerade die Klärung, ob Sie nun unter die Regelungen fallen oder nicht, wird Ihnen nur ein Jurist rechtssicher geben können.
Generell gilt aber: Eine barrierefreie Website hat viele Vorteile, auch wenn Sie nicht dazu verpflichtet sind. Berücksichtigen Sie Barrierefreiheit daher auf jeden Fall in neuen Projekten.
3. Grundlagen der Barrierefreiheit
Definition einer barrierefreien Website
Eine Website gilt als barrierefrei, wenn sie den internationalen WCAG 2.2 Standards (Web Content Accessibility Guidelines) entspricht.
Diese Standards definieren drei Konformitätsstufen:
- A (grundlegend)
- AA (erweitert) und
- AAA (umfassend).
Das BFSG orientiert sich dabei an der Stufe AA, die einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Zugänglichkeit und praktischer Umsetzbarkeit darstellt.
Verschiedene Arten von Barrieren im Web
Visuelle Barrieren
- Zu geringe Kontraste zwischen Text und Hintergrund
- Fehlende Alternativtexte bei Bildern
- Zu kleine Schriftgrößen
- Informationen, die nur über Farben vermittelt werden
Auditive Barrieren
- Videos ohne Untertitel
- Fehlende Transkripte für Audio-Inhalte
- Ausschließlich akustische Warnhinweise
Motorische Barrieren
- Zu kleine Klickflächen
- Zeitbegrenzungen bei Formularen
- Unmöglichkeit der Tastatursteuerung
- Komplexe Dropdown-Menüs
Kognitive Barrieren
- Komplizierte Navigationspfade
- Unübersichtliche Seitenstruktur
- Komplexe Fachsprache
- Fehlende Orientierungshilfen
Betroffene Nutzergruppen und ihre speziellen Bedürfnisse
Die Bandbreite der Nutzer mit besonderen Anforderungen ist groß:
Sehbehinderte Menschen benötigen:
- Skalierbare Schriften
- Hohe Kontraste
- Screenreader-Kompatibilität
- Strukturierte Überschriften
Menschen mit motorischen Einschränkungen benötigen:
- Vollständige Tastatursteuerung
- Ausreichend große Klickflächen
- Fehlertolerante Formulare
- Skip-Links für schnelle Navigation
Menschen mit kognitiven Einschränkungen benötigen:
- Klare, einfache Sprache
- Logische Navigation
- Konsistentes Design
- Ruhige, ablenkungsfreie Gestaltung
Internationale Standards (WCAG 2.2)
Die WCAG 2.2 basiert auf vier Grundprinzipien.
Wahrnehmbarkeit
- Alle Informationen müssen für jeden Nutzer wahrnehmbar sein
- Alternative Texte für nicht-textliche Inhalte
- Anpassbare Darstellung
Bedienbarkeit
- Alle Funktionen müssen mit verschiedenen Eingabemethoden nutzbar sein
- Ausreichend Zeit für Interaktionen
- Vermeidung von Blitzeffekten
Verständlichkeit
- Inhalte und Bedienung müssen verständlich sein
- Konsistente Navigation
- Fehleridentifikation und -vermeidung
Robustheit
- Inhalte müssen mit verschiedenen Technologien nutzbar sein
- Kompatibilität mit Hilfsmitteln
- Valider Code
4. Geschäftliche Vorteile barrierefreier Websites
Die Implementierung von Barrierefreiheit wird oft als reine Pflichtaufgabe oder zusätzliche Kostenbelastung wahrgenommen. Dabei übersehen viele Unternehmen die zahlreichen wirtschaftlichen Chancen und strategischen Vorteile, die barrierefreie Websites bieten. Von erweiterten Zielgruppen über besseres Google-Ranking bis hin zu gesteigerter Kundenzufriedenheit – die Investition in digitale Barrierefreiheit rechnet sich auf vielfältige Weise.
Erweiterte Zielgruppe und größere Reichweite
Eine barrierefreie Website erschließt Ihrem Unternehmen neue Zielgruppen:
- 7,9 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung leben in Deutschland (Stand: Ende 2023)
- 22,3 Prozent der Menschen in Deutschland sind über 65 Jahre mit teils eingeschränkter Nutzung digitaler Medien (Quelle: Statista)
- Menschen mit temporären Einschränkungen (z.B. durch Verletzungen oder situative Bedingungen)
- Mobile Nutzer mit eingeschränkten Darstellungsmöglichkeiten
Die Kaufkraft allein der Menschen mit Behinderungen liegt in Deutschland bei über 500 Milliarden Euro jährlich. Dies stellt ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial dar, das viele Unternehmen bisher nicht ausschöpfen.
Verbesserte Nutzererfahrung für alle Besucher
Barrierefreiheit kommt allen Besuchern zugute:
- Schnelleres Auffinden von Informationen durch klare Struktur
- Bessere Lesbarkeit durch optimierte Kontraste und Schriftgrößen
- Einfachere Navigation und Bedienung
- Geringere Abbruchraten bei Formularen
- Höhere Kundenzufriedenheit und Conversion-Rates
SEO-Vorteile und besseres Google-Ranking
Barrierefreie Websites werden von Google bevorzugt behandelt:
- Bessere Indizierung durch klar strukturierten Code
- Höhere Relevanz durch alternative Textbeschreibungen
- Verbesserte Core Web Vitals durch optimierte Ladezeiten
- Geringere Absprungraten durch bessere Nutzererfahrung
- Positive Bewertung der mobilen Nutzbarkeit
Rechtssicherheit und Compliance
Die Umsetzung von Barrierefreiheit bietet:
- Schutz vor kostspieligen Abmahnungen
- Erfüllung der BFSG-Anforderungen ab 2025
- Vorbereitung auf zukünftige rechtliche Anforderungen
- Vermeidung von Reputationsschäden
- Wettbewerbsvorteile durch frühe Anpassung
Imagegewinn und Corporate Social Responsibility
Barrierefreiheit stärkt Ihre Unternehmensreputation:
- Positionierung als modernes, inklusives Unternehmen
- Demonstration gesellschaftlicher Verantwortung
- Positive Wahrnehmung bei allen Stakeholdern
- Stärkung der Arbeitgebermarke
- Vorbildfunktion in der Branche
Die Investition in Barrierefreiheit zahlt sich dabei mehrfach aus:
- Kurzfristig durch verbesserte Nutzererfahrung und SEO
- Mittelfristig durch höhere Conversion-Rates und Kundenbindung
- Langfristig durch Rechtssicherheit und Imagegewinn
Fazit zu den geschäftlichen Vorteilen
Die Entwicklung einer barrierefreien Website ist keine reine Pflichtübung zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, sondern eine strategische Investition in die Zukunft Ihres Unternehmens.
Die Vorteile sind vielfältig und verstärken sich gegenseitig:
- Eine größere Zielgruppe führt zu mehr Besuchern,
- Die bessere Nutzererfahrung steigert die Conversion-Rate
- Das verbesserte Google-Ranking erhöht die Sichtbarkeit
- Die Umsetzung der BFSG-Anforderungen schafft Rechtssicherheit
Die Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache: Mit überschaubaren Investitionen in Barrierefreiheit erreichen Sie nicht nur neue Kundengruppen, sondern optimieren gleichzeitig Ihre gesamte digitale Präsenz. Dies macht barrierefreie Websites zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil in einer zunehmend digitalen Geschäftswelt.
5. Technische Umsetzung
Barrierefreiheit auf Websites umsetzen
Die technische Umsetzung der Barrierefreiheit basiert auf den vier WCAG-Grundprinzipien: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Diese Prinzipien stellen sicher, dass Ihre Website nicht nur zugänglich, sondern auch nutzerfreundlich ist.
Jedes dieser Prinzipien erfordert spezifische technische Maßnahmen:
1. Wahrnehmbarkeit
- HTML5-Semantik für klare Strukturierung
- Einhaltung der Kontrastverhältnisse (mindestens 4,5:1)
- Responsive Design für alle Bildschirmgrößen
- Skalierbare Schriftgrößen (mindestens 200%)
2. Bedienbarkeit
- Fokus-Indikatoren für Tastaturbedienung
- Ausreichend große Klickbereiche (mindestens 44×44 Pixel)
- Skip-Links für Screenreader
- Keine zeitabhängigen Funktionen
3. Verständlichkeit
- Konsistente Navigation und Bezeichnungen
- Klare Fehlermeldungen in Formularen
- Eindeutige Link-Beschreibungen
- Logische Tabulatorreihenfolge
4. Robustheit
- Valider HTML-Code
- ARIA-Attribute für dynamische Inhalte
- Browserübergreifende Kompatibilität
- Unterstützung von Hilfstechnologien
Checkliste der wichtigsten Maßnahmen
Grundlegende Strukturierung
- Korrekte Verwendung von HTML5-Überschriften (h1 bis h6)
- Semantisch korrekte HTML-Elemente (nav, main, footer etc.)
- Aussagekräftige Seitentitel und Meta-Beschreibungen
- Logische Dokumentenstruktur
Bilder und Medien
- Alt-Texte für alle Bilder
- Untertitel für Videos
- Transkriptionen für Audioinhalte
- Verzicht auf automatische Wiedergabe
Navigation
- Konsistente Menüstruktur
- Breadcrumb-Navigation
- Skip-Links für Hauptinhalte
- Sichtbare Fokus-Hervorhebung
Formulare
- Label für alle Formularfelder
- Klare Fehlermarkierung und -meldungen
- Ausreichend Zeit zur Eingabe
- Autocomplete-Attribute
Häufige Fehler und wie man sie vermeidet
Design-Fehler
- Zu geringe Kontraste
- Nicht skalierbare Schriften
- Farbe als einziges Unterscheidungsmerkmal
- Nicht responsive Layouts
Technische Fehler
- Fehlende Alt-Texte
- Nicht validierender HTML-Code
- Fehlerhafte ARIA-Attribute
- Nicht barrierefreie PDF-Dokumente
Content-Fehler
- Unstrukturierte Inhalte
- Komplexe Fachsprache
- Unklare Link-Texte
- Fehlende Dokumentstruktur
Tools zur Überprüfung der Barrierefreiheit
Automatische Prüftools
- WAVE Web Accessibility Tool
- axe DevTools
- Google Lighthouse
- WCAG-EM Report Tool
Manuelle Prüfmethoden
- Tastatur-Navigation testen
- Screenreader-Test (z.B. NVDA)
- Kontrast-Checker
- Browser-Zoom-Test
Validierungstools
- W3C Markup Validation Service
- CSS Validator
- PDF Accessibility Checker
6. Praktische Implementierung
Barrierefreiheit auf Websites umsetzen
Die Umsetzung von Barrierefreiheit mag auf den ersten Blick wie ein komplexes und kostspieliges Projekt erscheinen.
Mit einem strukturierten Vorgehen lässt sich die Implementierung jedoch in überschaubare Schritte aufteilen.
In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie die barrierefreie Gestaltung Ihrer Website konkret angehen können – von der ersten Analyse bis zur kontinuierlichen Pflege. Dabei berücksichtigen wir sowohl den zeitlichen als auch den finanziellen Aufwand und zeigen Ihnen, welche externen Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Phase 1: Analyse und Planung
- Durchführung einer Ist-Analyse der Website
- Identifizierung der wichtigsten Handlungsfelder
- Priorisierung der Maßnahmen
- Erstellung eines Zeitplans
- Definition von Verantwortlichkeiten
Phase 2: Basis-Optimierung
- Implementierung der HTML5-Semantik
- Überarbeitung der Navigation
- Optimierung von Kontrasten und Schriftgrößen
- Einführung von Alt-Texten
- Formular-Optimierung
Phase 3: Erweiterte Anpassungen
- Integration von ARIA-Attributen
- Implementierung von Skip-Links
- Erstellung von Untertiteln und Transkripten
- Optimierung der PDF-Dokumente
- Anpassung dynamischer Inhalte
Phase 4: Tests + Qualitätssicherung
- Durchführung automatisierter Tests
- Manuelle Überprüfungen
- Nutzer-Feedback einholen
- Dokumentation der Maßnahmen
- Schulung der Mitarbeiter
Kostenaspekte und ROI
Typische Kostenfaktoren
- Technische Implementierung: 5.000 – 15.000 €
- Content-Überarbeitung: 2.000 – 5.000 €
- Schulungen: 1.000 – 3.000 €
- Externe Beratung: 2.000 – 8.000 €
- Regelmäßige Wartung: 500 – 1.500 € pro Jahr
Return on Investment
- Höhere Besucherzahlen: +15-20%
- Verbesserte Conversion-Rate: +10-15%
- Reduzierte Wartungskosten: -20%
- Rechtskonform nach BFSG und damit keine rechtlichen Risiken
- Besseres Google-Ranking
Zeitlicher Aufwand
Projektphasen
- Analyse und Planung: 2-4 Wochen
- Technische Implementierung: 4-8 Wochen
- Content-Anpassung: 3-6 Wochen
- Testing und Optimierung: 2-4 Wochen
Regelmäßige Wartung
- Monatliche Überprüfungen: 2-4 Stunden
- Quartalsweise Updates: 4-8 Stunden
- Jährliche Grundrevision: 16-24 Stunden
Externe Unterstützungsmöglichkeiten
Beratung und Expertise
- Barrierefreiheits-Experten
- Web-Entwicklungsagenturen
- UX/UI-Designer
- Content-Spezialisten
Zertifizierung und Prüfung
- BITV-Test
- Zertifizierte Prüfstellen
- Accessibility-Consultants
- Nutzertest-Organisationen
Tools und Services
- Automatisierte Prüftools
- Template-Anbieter
- CMS-Plugins
- Schulungsanbieter
Fazit zur praktischen Implementierung
Die Umsetzung von Barrierefreiheit ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich mit guter Planung und den richtigen Experten an Ihrer Seite gut bewältigen lässt.
Der schrittweise Ansatz ermöglicht es Ihnen, die Implementierung entsprechend Ihrer Ressourcen und Prioritäten zu gestalten. Auch wenn die initialen Investitionen nicht unerheblich sind, zeigt die Praxis, dass sich diese durch verbesserte Nutzerzahlen, höhere Conversion-Rates und rechtliche Absicherung schnell amortisieren.
Entscheidend für den Erfolg sind dabei drei Faktoren:
- Ein strukturierter Projektplan mit realistischen Zeitvorgaben
- Die Einbindung aller relevanten Stakeholder von Anfang an
- Eine regelmäßige Überprüfung und Wartung nach der Implementierung
Mit diesem Wissen und den vorgestellten Werkzeugen können Sie die barrierefreie Gestaltung Ihrer Website systematisch und erfolgreich umsetzen.
7. Tools und Hilfsmittel für barrierefreie Websites
Die Umsetzung einer barrierefreien Website erfordert nicht nur Know-how, sondern auch die richtigen Werkzeuge. Die Auswahl an Tools ist groß, aber nicht jedes Tool eignet sich für jeden Anwendungsfall. Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Hilfsmittel, ihre Stärken und Schwächen sowie praktische Tipps für den Einsatz.
Automatische Prüftools
WAVE (Web Accessibility Evaluation Tool)
Wichtigste Funktionen:
- Visuelle Kennzeichnung von Barrieren direkt auf der Website
- Detaillierte Fehlerberichte und Verbesserungsvorschläge
- Browser-Extension verfügbar
- Kostenlose Basisversion
Vorteile:
- Sehr benutzerfreundlich
- Schnelle erste Analyse möglich
- Gute visuelle Darstellung der Probleme
- Praxisnahe Verbesserungsvorschläge
Nachteile:
- Einige Features nur in der Pro-Version
- Keine vollautomatische Prüfung aller Unterseiten
- Manchmal falsch-positive Meldungen
Praxistipps:
- Besonders gut für die erste Analyse einer Website
- Regelmäßige Überprüfung nach Content-Updates empfohlen
- Ergebnisse immer manuell verifizieren
- Website: https://wave.webaim.org/
axe DevTools
Wichtigste Funktionen:
- Integration in Browser-DevTools
- Automatische Erkennung von WCAG-Verstößen
- Detaillierte technische Hinweise
- Code-Beispiele für Korrekturen
Vorteile:
- Sehr präzise Analysen
- Direkter Bezug zum Quellcode
- Hohe Zuverlässigkeit
- Gute Integration in Entwicklungsprozesse
Nachteile:
- Technisches Vorwissen erforderlich
- Kostenpflichtige Enterprise-Version für größere Teams
- Steile Lernkurve
Praxistipps:
- Ideal für Entwickler und technische Teams
- Gut für kontinuierliche Integration in CI/CD-Pipelines
- Regelmäßige Updates der Tool-Version wichtig
- Website: https://www.deque.com/axe/devtools/
Google Lighthouse
Wichtigste Funktionen:
- Integriert in Chrome DevTools
- Umfassende Performance-Analyse
- Barrierefreiheits-Score
- Best-Practice-Empfehlungen
Vorteile:
- Kostenlos
- Einfach zu nutzen
- Kombiniert verschiedene Aspekte der Weboptimierung
- Gute Dokumentation
Nachteile:
- Nicht so detailliert wie spezialisierte Tools
- Fokus nicht ausschließlich auf Barrierefreiheit
- Schwankende Ergebnisse je nach Serverauslastung
Praxistipps:
- Gut für regelmäßige Quick-Checks
- Mehrere Tests zu verschiedenen Zeiten durchführen
- Kombination mit anderen Tools empfehlenswert
- Website: https://developer.chrome.com/docs/lighthouse
Screenreader für Tests
NVDA (NonVisual Desktop Access)
Wichtigste Funktionen:
- Vollwertiger Screenreader
- Tastatursteuerung
- Verschiedene Ausgabesprachen
- Erweiterbar durch Add-ons
Vorteile:
- Kostenlos
- Weit verbreitet
- Gute Dokumentation
- Aktive Community
Nachteile:
- Nur für Windows
- Einarbeitung notwendig
- Nicht so umfangreich wie kommerzielle Alternativen
Praxistipps:
- Regelmäßiges Testen der Website
- Shortcuts lernen für effiziente Tests
- Verschiedene Browserversionen testen
- Website: https://www.nvaccess.org/download/
Kontrast-Checker
Color Contrast Analyzer (CCA)
Wichtigste Funktionen:
- Prüfung von Farbkontrasten
- WCAG-Konformitätsprüfung
- Farbblindheits-Simulation
- Pipette-Tool für Farbauswahl
Vorteile:
- Einfach zu bedienen
- Präzise Messungen
- Kostenlos
- Desktop-App verfügbar
Nachteile:
- Keine Batch-Analyse
- Keine automatische Website-Analyse
- Begrenzte Funktionen
Praxistipps:
- Frühzeitig im Design-Prozess einsetzen
- Corporate Design auf Kontraste prüfen
- Dokumentation der geprüften Farbkombinationen
- Website: https://www.tpgi.com/color-contrast-checker/
Fazit
Die vorgestellten Tools decken die wichtigsten Aspekte der Barrierefreiheitsprüfung ab. Eine Kombination verschiedener Tools ist empfehlenswert, da jedes seine spezifischen Stärken hat. Automatische Tests können jedoch immer nur einen Teil der notwendigen Prüfungen abdecken – manuelle Tests und echtes Nutzerfeedback bleiben unverzichtbar.
Die beste Strategie ist ein Mix aus:
- Automatischen Tests für schnelle, regelmäßige Überprüfungen
- Manuellen Tests mit Screenreadern und Tastatur
- Regelmäßigen Nutzertests mit betroffenen Personen
- Kontinuierlicher Dokumentation und Verbesserung
Investieren Sie Zeit in die Einarbeitung in diese Tools – der Aufwand zahlt sich durch effizientere Prozesse und bessere Ergebnisse schnell aus.
8. Fazit und Ausblick
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
Die digitale Barrierefreiheit ist mehr als eine gesetzliche Pflicht – sie ist eine Chance für Unternehmen, Ihre Online-Präsenz zukunftssicher zu gestalten.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
- Das BFSG macht ab Juni 2025 barrierefreie Websites für viele Unternehmen zur Pflicht
- Barrierefreiheit verbessert die Nutzererfahrung für alle Besucher
- Die technische Umsetzung folgt etablierten Standards (WCAG 2.2)
- Investitionen in Barrierefreiheit zahlen sich durch höhere Conversion-Rates aus
- Eine schrittweise Implementierung ermöglicht kontrollierbaren Aufwand
Handlungsempfehlungen
Kurzfristige Maßnahmen (1-3 Monate)
- Ist-Analyse der Website durchführen
- Quick-Wins identifizieren und umsetzen
- Team-Schulungen planen
- Budget für Umsetzung einplanen
Mittelfristige Maßnahmen (3-6 Monate)
- Technische Basis-Optimierungen durchführen
- Content-Überarbeitung starten
- Erste Nutzertests organisieren
- Dokumentation aufbauen
Langfristige Maßnahmen (6-12 Monate)
- Vollständige WCAG-Konformität erreichen
- Kontinuierliche Überprüfungsroutinen etablieren
- Feedback-Prozesse implementieren
- Regelmäßige Updates planen
Zukünftige Entwicklungen
Technologische Trends
- Künstliche Intelligenz für automatisierte Barrierefreiheitsprüfungen
- Verbesserte Spracheingabe und -steuerung
- Neue Webstandards und WCAG-Updates
- Fortschrittliche Assistenztechnologien
Rechtliche Entwicklungen
- Verschärfte Anforderungen durch EU-Richtlinien
- Stärkere Kontrollen der Umsetzung
- Neue Branchenstandards
- Internationale Harmonisierung
Gesellschaftliche Aspekte
- Wachsende Bedeutung digitaler Teilhabe
- Steigendes Bewusstsein für Inklusion
- Demografischer Wandel
- Erhöhte Nutzererwartungen
Fazit
Die digitale Barrierefreiheit entwickelt sich von einer optionalen Zusatzfunktion zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal moderner Websites. Das BFSG macht sie ab 2025 zur Pflicht, aber die Vorteile reichen weit über die rechtliche Compliance hinaus: Bessere Nutzererfahrung, höhere Conversion-Rates und ein verbessertes Google-Ranking machen barrierefreie Websites zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil.
Die Umsetzung mag zunächst herausfordernd erscheinen, lässt sich aber mit dem richtigen Ansatz und schrittweiser Implementierung gut bewältigen. Je früher Unternehmen mit der Optimierung beginnen, desto mehr profitieren sie von den positiven Effekten und vermeiden zugleich zeitlichen und wirtschaftlichen Druck durch die kommende Gesetzgebung.
Letztlich ist Barrierefreiheit eine Investition in die Zukunft: Sie macht das Web zugänglicher für alle und schafft damit einen gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Mehrwert. Unternehmen, die dies frühzeitig erkennen und umsetzen, positionieren sich als moderne, verantwortungsvolle Akteure in der digitalen Welt.
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